Der aufgabenreiche Fasnachtsalltag einer trotz allem gut gelaunten Narrengarde
von Thomas Uhl und Berthold Hepfer
Seit Gründung der Narrengarde im Jahr 1933 bewältigen die Gardisten der Narrizella Ratoldi umfangreiche Aufgaben innerhalb der Radolfzeller Fasnacht. So zählt insbesondere die Ausgestaltung des Narrenspiegels zu ihrer Aufgabe (siehe gesonderten Bericht). Ab Drei König nehmen die Termine der Gardisten rapide zu. So marschiert alljährlich die gut gelaunte Narrengarde zur Eröffnung des Pressehocks auf, wo die Narrizella Ratoldi ihre „sensationellen“ Neuigkeiten zur bevorstehenden Fasnacht der Presse auf närrische Weise mitteilt.
Fünf Montage vor Fasnacht erhalten die Gardisten beim traditionellen „Leberwurstessen“ ihre Narrenspiegelrollen ausgehändigt sowie weitere Informationen zu den bevorstehenden Fasnachtsaktivitäten. Vier Samstage vor der Fasnacht findet in der Regel der interne Gardeball statt. Hierbei können nicht nur die jüngsten Junggardisten ihr närrisches Talent auf der Bühne unter Beweis stellen, auch die Altgedienten lassen gekonnt mal einen „fahren“, um neben Tanz und Unterhaltung den Abend zu einem besonderen Höhepunkt werden zu lassen. Es ist der Auftakt der Saalfasnacht.
Gemeinsam mit der Zunft wird meist am darauf folgenden Wochenende ein 2-tägiges Narrentreffen besucht. Die Gardisten sind dort teilweise als Schnitzwiiber, Schulerbuebe, Kappedeschle und Narrebolizischt unterwegs und führen die Narrizella beim Umzug an. Dabei läuft ein Gardist als Fahnenträger mit der Narrizella-Fahne voraus. Er wird von zwei Gardisten in Formation der Fahnenbegleitung unterstützt und durch die Klänge der verschiedensten Trommelmärsche wie zum Beispiel „de Zerstörer, de James oder de Zweier (Trommelmarsch 2)“ zum Durchhalten motiviert. Eine Woche darauf wird dann der Narrenspiegel von Samstag bis Montag in vier Vorstellungen dargeboten; ein echter kultureller wie auch närrischer Höhepunkt nicht nur für die Gardisten, sondern für die ganze Stadt.
Am Montag vor Fasnacht ist dann noch einmal eine Gardeversammlung in der die letzten Instruktionen für die kurz bevorstehende Fasnacht bekannt gemacht werden. Der traditionelle Hemdglonkerumzug des Turnvereins, der mittwochabends die Straßenfasnacht einläutet, wird neben dem „große Maa“ von den Garde-Trommlern im Hemdglonkerhäs angeführt. Nach den Klepperlekindern des Turnvereins ziehen seit 1954 die Gardisten einen übergroßen drehbaren Nachthafen mit. Traditionell werden hübsche junge Damen und auch Kinder aus der Zuschauermenge eingefangen und im Nachthafen schwindlig gedreht.
Seit 2005 betreibt die Garde in der Zunfthaus-Remise im Anschluss an den Hemdglonkerumzug eine Besenwirtschaft, die bei aufgeheizter Stimmung fast aus den Nähten platzt. Am schmutzige Dunschtig rechtzeitig vor sechs Uhr treffen sich die Gardisten im Gardistenhäs, um sich mit Sekt und Suppe zu stärken, denn um 6:00 Uhr ist für die Bewohner der Radolfzeller Altstadt die Nacht zu Ende. Mit Trommeln, Rätschen und Kanonen wird die Narrenstadt geweckt und der höchste Tag der Radolfzeller Fasnet mit närrischem „Lärm“ beginnt. Danach heißt es „umziehen“, denn: Ab 8:30 Uhr treffen sich Schnitzwiiber und Schulerbube zum Schnitzwiiberumgang, der sich in 2 Gruppen aufteilt.
Eine Gruppe fährt mit dem Bus zum Josef-Zuber-Kindergarten, um nach diesem Besuch die Realschüler und Gymnasiasten zu befreien. Vom Gymnasium aus marschiert die Narren- und Schülerschar zum Marktplatz. Die zweite Gruppe führt den Umgang in der Altstadt durch, wo neben den Kindergärten (St. Josef und evangelischer Kindergarten) das Carl-Duisberg-Zentrum und die Teggingerschule im Mittelpunkt stehen. Beim eigentlichen Umgang durch die Stadt werden beim Haischen die Einzelhändler angebettelt: „De Müller isch en guete Ma, wenn er uns ebbes gieht!“. Wenn dies erfolglos bleibt, kann es auch mal heißen: „Giiezig, giiezig, giiezig isch de sell, und wenn de sell it giiezig wär, denn wüßt mer it wer giiezig wer“. Beide Umgänge stoßen dann auf dem Marktplatz wieder zusammen, um dort bei der Machtübernahme dabei zu sein.
Am Nachmittag trifft man sich erneut umgezogen zum Narrenbaumumzug am Pro Seniore (ehemals Gasthaus Schwert). Über die Bismarckstraße und Schützenstraße „schießt sich die Garde mit der Kanone den Weg bis zum Marktplatz frei“. Während des Narrenbaumstellens findet die Fahnenübergabe statt, bei der die Narrizella-Fahne für die Dauer der Fasnet der Garde anvertraut wird. Bruno Epple hatte für diese Zeremonie sogar ein adäquates Gedicht geschrieben. Ein ungeschriebenes Gesetz gebietet dem Gardisten kurz vor dem Erfrierungstod Einlass ins Pfarrhaus, um bei einem Gläschen Wein das Stellen des Baumes gemeinsam mit dem Stadtpfarrer vom Fenster aus zu verfolgen.
Am abendlichen Ausklang bleibt es jedem Gardisten freigestellt, wie er diesen Tag beschließt: Wenn er vom „sich Umziehen“ noch nicht genug hat, kann er sich in ein Schnurrhäs stürzen. Er kann sich aber auch einfach als Gardist beschnurren lassen. Am Fasnachtssamstag treffen sich die Gardisten am Narrenschopf, um den Strohmaa zu binden. Jedes Jahr lassen die Gardisten ihren künstlerischen Fähigkeiten freien Lauf und gestalten einen originellen Strohmaa. Da er aber gut brennen soll, muss er auch mit Sachkenntnis gebunden werden.
Am selben Abend noch ruft der Bürgerball zum Ball der Bälle – im Tagungs- und Kulturzentrum Milchwerk. Den sonntäglichen Fasnetumzug führen die Gardisten an. Im dreijährigen Rhythmus tragen sie hierbei einmal die Gardeuniform, Schnitzwiib und Schulerbue, oder im dritten Jahr ein speziell kreiertes Motto-Häs. Auf dem Marktplatz werden dann am Ende des Umzugs alle Mäschgerle mit heißer Wurst und Wecken belohnt. Jetzt findet der Gardebummel statt. Hierbei werden die Vergehen der Gardisten im närrischen Sinn geahndet und entsprechende „Diszis“ verteilt. Am Abend werden nach gutem Essen im Gardequartier verdienten Gardisten Orden verliehen.
Beim närrischen Jahrmarkt am Fasnachtsmontag ist die Garde komplett vertreten. Neben dem Verkauf von typisch närrischen Speisen (z.B. Sauschwänzle, Leberle, Kuttle) und Getränken sind Rutschbahn, Karussell und Gardezügle für die Kinder unverzichtbare Attraktionen. Am Dienstag findet dann die größte Pflicht eines jeden Gardisten statt, die Narrenbaumwache. Halbstündlich wird die Gründungsurkunde der Narrengarde vorgelesen, um Ursprung und Grund für diese Aktion zu verdeutlichen. Am Abend ist die Garde beim Fasnetverbrennen mit Trauerflor zugegen. Das Feuerwerk wird von den Kanonieren abgebrannt. Der Gardequartierwirt gibt noch einen Schorleeimer aus (10 Liter), bevor die Gardisten gut gestärkt die Narrizellafahne an den Präsidenten zurückgeben. Anschließend dankt der Huptmaa den Gardisten und kündigt die fasnachtslose Zeit mit dem Hinweis „’s goht dägege“ an.